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Unzufrieden mit der Klimapolitik?

Anlässlich des „Global Day of Climate Action“ am 29. November

Unzufrieden mit der Klimapolitik?

„Die Bundesregierung hat dem 1,5-Grad-Ziel eine Absage erteilt. Das akzeptieren wir nicht!“ („Day of Global Climate Action #NeustartKlima – lautstark, wütend, unbequem“)

Dann akzeptiert es nicht! Und stellt euch darauf ein, dass dann noch ein bisschen was anderes fällig ist, wenn ihr an dieser Verweigerung wirklich festhalten wollt.

1.

Ihr solltet euch darauf gefasst machen, dass es mit dem „Verständnis“ für eure „berechtigten Sorgen“ und für euer „verantwortungsvolles Engagement“ für so hohe Werte wie „die Menschheitszukunft“ in dem Maße vorbei ist, wie ihr auf eurer Opposition besteht. Von diesem verständnisvollen Schulterklopfen werdet ihr inzwischen sowieso gemerkt haben, wie geheuchelt es ist. Dann steht ihr vor der Alternative: Entweder doch weiter mit den hohen Titeln wie „Menschheit“, „Zukunft“, „unser Planet“ für euer Anliegen werben bei der Politik, die euch vorführt, wie leicht es für sie ist, diesen Schlagworten zuzustimmen und ihnen im selben Augenblick einen ganz anderen Inhalt zu geben als ihr. Oder diesen verlogenen Konsens der Ideale zu kündigen, ihn wenigstens mal daraufhin zu überprüfen, ob der überhaupt zu etwas anderem taugt, als eine völlig leere Einigkeit zu erfinden, in der alles ausgelöscht ist, was es an gegensätzlichen Interessen, an gegensätzlichen Stellungen im Verhältnis von Macht und Ohnmacht gibt – Interessen und Gegensätzen, die ja praktisch auch dann weiter gelten, wenn man vor lauter Schulterschluss so tut, als ob sie unwichtig wären.

2.

Ihr müsst euch darauf einstellen, dass die Politik die Macht, die sie hat, neben dem freundlichen oder inzwischen überhaupt nicht mehr so freundlichen Verhältnis zu euch praktisch einsetzen wird für das, was sie in Sachen Klima für notwendig erklärt. Das hat sie bis neulich in die griffige Formel von „Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzen!“ gepackt. Wenn sie jetzt dieses Ziel beerdigt und trotzdem daran festhält, dass das, was sie tut, „Klimarettung“ ist, und damit jede Alternative machtvoll für nicht vorhanden erklärt – dann steht ihr schon wieder vor einer Entscheidung: Entweder ihr erkennt das Diktat der Politik an, dass die Bewahrung der globalen Lebensgrundlagen gleichbedeutend mit dem 1,5-Grad-Ziel ist, und dieses Ziel gleichbedeutend mit allem, was sie an Energie- und Wirtschaftspolitik treibt – und seid enttäuscht, wenn das Mittelglied der Gleichung einfach weggeschmissen wird. Oder ihr entnehmt dem Umstand, dass die Regierenden auch ohne die 1,5 Grad darauf bestehen, dass gut fürs Klima ist, was sie ansagen, dass es ihnen um etwas anderes geht. Dass „Klimarettung“ der Name für ein Programm ist, dessen Inhalt in etwas anderem besteht als einer mit euch geteilten Sorge um die allgemeinen natürlichen Lebensgrundlagen. Dann hättet ihr euch die Frage vorzulegen, welche Zwecke die Politik verfolgt. Zwecke, von denen ihr vorgeführt bekommt, dass sie so unverträglich mit euren Anliegen sind, dass ihr sie in euer entschiedenes „Das akzeptieren wir nicht!“ einbeziehen müsst, wenn aus dem etwas anderes folgen soll als eine Enttäuschung nach der anderen.

3.

Und ihr solltet im Auge haben, dass auch die Kritik an euch aus „der Wirtschaft“ demnächst eher noch lauter wird als bisher schon, wenn ihr weiter darauf besteht, dass das Wirtschaften nicht die natürlichen Bedingungen zerstören soll, auf denen es beruht. Die Unternehmer werden euch – das kennt ihr ja schon – darauf aufmerksam machen, dass man ihnen ihren Beruf versaut, wenn ihnen verboten werden soll, die Natur zu versauen. Und natürlich werden es auch in Zukunft nicht einfach ihre Gewinne und deren Wachstum sein, die sie gegen eure lautstarke Forderung ins Feld führen, dass „es“ so nicht mehr weitergehen kann und darf: Sie verweisen und bestehen ja immer schon darauf, dass es ohne ihre privaten Gewinne auch sonst nichts gibt in der Gesellschaft, vor allem keine Arbeitsplätze – von denen leben bekanntlich all die vielen, die keine Unternehmer sind, was sie nicht mehr können ohne Arbeitsplatz. Und dass sie auch mit Arbeitsplatz mehrheitlich ewig mit dem Geldeinteilen so ihre liebe Not haben, wird gleich zum nächsten Holzhammer gegen euch: Dann verbrüdern sich diejenigen, die die von Arbeit Abhängigen offenbar flächendeckend knapp bezahlen, mit denen, die im Namen dieser vielen knapp Bezahlten auftreten, und alle warnen davor, dass „übertriebener“, womöglich gar „ideologisch verblendeter“ Umwelt- und Klimaschutz letztlich nur auf Kosten der „kleinen Leute“ gehe. Und schon wieder steht ihr vor einer Alternative: Entweder ihr versucht weiter, die rhetorische Frage „Was nützt ein gesundes Klima, wenn es keine Arbeitsplätze mehr gibt, von denen man leben kann?“, die euch mundtot machen soll, bloß mit der fiktiven Gegenfrage zu kontern „Was nützen Arbeitsplätze heute, wenn es morgen keinen Planeten mehr gibt?“ Dann werden euch die Erfinder dieses verlogenen Dilemmas zwischen zwei Höchstwerten, das ihr ihnen zurückreichen wollt, die nächste Lektion erteilen: Die nämlich, dass aus diesem erfundenen Widerspruch zwar sonst nichts, aber auf jeden Fall folgt, dass allein sie gemäß ihren Maßstäben entscheiden, wie der „verantwortungsvoll abzuwägen“ und „wirtschaftlich vernünftig auszutarieren“ sei. Oder ihr verweigert dieser Logik ihre Selbstverständlichkeit, die euch als „Realismus“ um die Ohren gehauen wird; verweigert also die Übersetzung der totalen Abhängigkeit sowohl der Arbeit als auch des Zustands der Natur von den Kalkulationen der „Wirtschaft“, die beides be- und vernutzt, in das ideologische Gebot zur Sorge um das Gelingen der Kalkulationen, von denen alles abhängt. Und legt es darauf an zu durchschauen, warum dieses politisch machtvoll ins Werk gesetzte und verwaltete System von herrschenden und abhängigen Interessen notwendigerweise nur mit den Beschädigungen funktioniert, die ihr nicht akzeptieren wollt.

Quelle: https://de.gegenstandpunkt.com/dossier/klima